Hilterfingen und Hünibach
Eine Gegenwart - zwei Vergangenheiten
Autor: Dr. Robert Ganz
Verlag: Paul Haupt
256 Seiten Text, 140 s.w. und Farbbilder
Das Heimatbuch ist eine anziehende Lektüre; es schildert uns frisch die Vergangenheit und Gegenwart, es veranschaulicht sie uns in reichem Bilderschmuck, es wird das Verständnis für unsere Gemeindekultur verbreiten helfen, es eröffnet den interessierten Leserinnen und Leser bis anhin unbekannte Horizonte und bietet ein persönliches Entdeckungsfeld an dem man bis jetzt vielleicht teilnahmslos vorüberging.
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Preis: Fr. 38.00
Historisches
Weite helvetisch-römische Gebiete wurden vom 5. Jahrhundert an von Alemannen-Stämmen erobert. Am Thunerseeufer entstand die Siedlung "Hiltofinga". Ihr Name soll auf den Sippenführer Hiltolf ("Kampfwolf") zurückgehen.
Hilterfingen gehörte im Mittelalter zur Freiherrschaft Oberhofen, die 1398 an Bern fiel. Bis 1651 herrschten in Oberhofen die Adelsfamilien Scharnachthal und von Erlach. Von 1652 bis 1798 zählte Hilterfingen zur Landvogtei Oberhofen. Das Dorf hatte sich allmählich zu einem stattlichen Fischer-, Bauern- und Winzerdorf entwicklet. Unter der Neuordung nach 1803 erfolgte in Schritten die Güterausscheidung; sie gipfelte in der 1866 erfolgten Trennung in die politische Einwohnergemeinde (mit gleichen Rechten für alle!) und in die Burgergemeinde. Die ersten Hotelbauten erfolgten anfangs des 20. Jahrhunderts; 1904 Gründung der Handelsgärtnerei der Gebr. Roggli (in Folge weltweit berühmter Samenzucht). Im Laufe der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zur nahezu vollständigen Umwandlung des ehemals landwirtschaftlichen Bodens in Bauland.
La Chartreuse
Hünibach blieb bis Ende des 19. Jahrhunderts ein unscheinbarer Weiler am Eingang zur Kohlerenschlucht. Viele Ländereien und Weinberge zwischen Hofstetten und Hilterfingen standen bis zur Reformation in klösterlichem Besitz.
Nach der Säkularisation wurden sie von den Ämtern Thorberg, Oberhofen oder Wimmis verwaltet, später suksessive an ansässige Bauern verpachtet bzw. verkauft. Das Bächigut ging 1807 an den Berner Schultheissen Niklaus Friedrich von Mülinen. Er legte einen Park an und bewohnte von 1821 bis 1831 den neu erbauten Landsitz. "La Chartreuse" wurde während 10 Jahren zum beliebten Reiseziel vieler in- und ausländischer Geistesgrössen. Nächste Gutsbesitzer waren Adolphe de Rougemont und von 1844 - 1890 seine Erben. 1896 überstürzten sich die Ereignisse: Baubegin des Schlosses Charteuse und Unfalltod des neuen Schlossherrn Baron von Zedtwitz. Erst 1902 fertiggestellt, stand das Schloss schon ab 1910 leer. Nach dem Verkauf des Schlossgutes 1933 an eine Immobiliengesellschaft wurde der Park parzelliert, in Bauland umgewandelt und innert kürzester Zeit überbaut. Das Schlossgebäude wurde 1941 teilweise gesprengt, die Resten wurden 1965 abgebrochen.
Schloss und Gut Eichbühl
Dieses Gut - einst klösterlicher Besitz - wurde von Bern 1773 veräussert. 1835 erwarb es der englische Botaniker Brown und 1849 ging es an den berühmten Archäologen G.K.F. von Bonstetten.
Er baute in den siebziger Jahren eine schlossartige Villa in nordischem Stil. Seine Tochter, verheiratet mit Rudolf von Reding-Biberegg aus Schwyz, mehrte den Landbesitz und liess die Wirtschaftsgebäude neu erbauen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges verkauften die Nachkommen das grosse Gut. Das Herrschaftsgebäude gelangte in den Besitz der Gemeinde, die darin die Unterschule einrichtete, wo sie sich heute noch befindet.
Schloss und Gut Hünegg
Bauherr des Schlosses Hünegg war der vielgereiste preussische Kunstsammler Baron Albert Ernst von Parpart, der 1846 die Witwe Adelheid de Rougemont geheiratet und in der Chartreuse Wohnsitz genommen hatte.
In den Jahren 1861 - 1863 entstand auf dem Seebühl genannten Felssporn in Hilterfingen ein kunstvoller Bau in französischem Neurenaissancestil, ähnlich gewissen Loireschlössern. Das stilvolle Innere wurde durch die vielseitige Kunstsammlung bereichert. Jenseits des Lauelibaches entstanden das stattliche Gärtnerhaus und mehrere Gewächshäuser, am Seeufer ein Badehäuschen. Die Parkanlage wurde mit zahlreichen exotischen Gewächsen versehen. 1883 ging der Besitz an einen Neffen von Parparts, der erst die Kunstsammlung und 1893 auch noch Schloss und Gut veräusserte. Nächster Besitzer nach dem deutschen Grosskaufmann K.L.K. Lehmann wurde der Architekt Gustav Lemke aus Wiesbaden (1899). Lemke nahm einige bauliche Veränderungen am Schlossgebäude vor und stattete die Innenräume neu aus, vielfach in Jugendstil (Heute: Museum für Wohnkultur der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts). Über eine holländische Handelsgesellschaft gelangten Schloss, Park und Wirtschaftsgebäude zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ins Eigentum des Kaufmanns Oscar Haag aus Küsnacht. 1958 schliesslich wurde der Kanton Bern Besitzer und damit Retter von Schlossgebäuden und Park, die beide öffentlich zugänglich sind. Der Park stellt eine wertvolle Naherholungszone dar und das Schlossmuseum, das regelmässig auch Spezialaustellungen präsentiert, besteht seit 1966.
Kirche Hilterfingen
Am heutigen Standort der Kirche konnten durch Grabungen vier Vorgängerkirchen nachgewiesen werden (vermutlich Bauepochen der drei ersten Kirchen: 7./8., 10./11. und 14. Jahrhundert). Gesichert ist, dass 1473 die so genannte Scharnachthal-Kirche erbaut wurde
mit dem noch heute bestehenden Turm und 1727 der neue wesentlich grössere Kirchensaal entstand (damals wurde auch das Pfarrhaus neu erbaut). Besonders sehenswert in der Kirche sind die wertvollen, um 1470 entstandenen Glasmalereien des Hans Noll mit Motiven zu Geburt und Passion Christi.
Rebbau
Seit wann am rechten Thunerseeufer Reben wachsen, lässt sich nur vermuten. Jedenfalls dehnte sich der Weinbau in der Schweiz Ende des 13. und im 14. Jahrhundert dank einer Klimaerwärmung stark aus. Die Bauern am Thunersee wandten sich intensiv dem Rebbau zu, da dieser trotz hoher Abgabepflichten einträglicher war als die nur der Eigenversorgung dienende Landwirtschaft.
Die Traubensorte Elbling erwies sich im eher rauen Thunerseeklima als widerstandsfähig und pflegeleicht.
Der Wein galt als Sakralgetränk und beim Volk als Nahrungs- und Stärkungsmittel. Vielfach diente er als Naturalabfindung im klerikalen und weltlichen Besoldungswesen. Sehr verschiedene Faktoren, vor allem Rebkrankheiten und anhaltende Kälte- und Nässeperioden des 19. Jahrhunderts, aber auch Weinimporte aus der Waadt, Weinsteueren, das Aufkommen der Biebrauereien u.a.m. liessen den lokalen Weinbau zusehends an Bedeutung verlieren. Etwa um 1910 wurden am Thunersee die letzten Reben ausgerissen. Doch schon in den zwanziger (in Spiez) und dreissiger Jahren (in Oberhofen) wurden wieder Reben gepflanzt. In Hilterfingen machten die Feldschützen Hünibach 1974 den Anfang (kleiner Rebberg am Chelli); im Jahre 2000 schliesslich kam es zur Gründung der Rebbaugenossenschaft Hilterfingen. Der Spatenstich zum neuen Rebberg oben am Schlüsselacker erfolgte im November 2001. Schon drei Jahre später konnte der erste Tropfen "Hilterfinger" genossen werden. Gekeltert werden die Trauben in Oberhofen, während die Rebbaugenossenschaft für Finanzierung, Lagerung und Verkauf des Weins verantwortlich ist.